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Einweihung der neuen Diensträume des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

Gerichte – auch Verfassungsgerichte – treten an die Öffentlichkeit gewöhnlich nur in mündlichen Verhandlungen und bei Verkündung von Urteilen, zu denen jeweils formell geladen wird. Wenn der Niedersächsische Staatsgerichtshof zur heutigen Feierstunde eingeladen hat, so ist dies für sich genommen schon ein besonderes Ereignis, dem Sie, meine Damen und Herren, durch Ihre Anwesenheit besonderen Glanz verleihen.

Der Staatsgerichtshof ist neben dem Landtag und der Landesregierung das dritte Verfassungsorgan Niedersachsens, ein – wie es im Staatsgerichtshofsgesetz heißt – "den übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbständiges und unabhängiges Gericht". Es ist mir eine große Freude, dass Sie, Herr Landtagspräsident Dinkla, uns heute die Ehre Ihrer Anwesenheit erweisen. Mit Herrn Dr. Biester, Herrn Bartling und Herrn Tonne sind auch zwei Landtagsfraktionen vertreten. Ich begrüße außerdem mit Herrn Toepffer den Vorsitzenden des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen, der demnächst den Staatsgerichtshof hier in Bückeburg zu einem Meinungsaustausch besuchen wird. Herr Dr. Rösler, den von hier aus unsere Glückwünsche erreichen, lässt sich durch Herrn Dr. Liersch vertreten, den ich ebenfalls willkommen heiße.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben heute die Zeit für ein ausführliches Gespräch mit den Mitgliedern des Staatsgerichtshofs gefunden und werden in dieser Feierstunde im Namen der Landesregierung ein Grußwort sprechen. Dafür weiß der Staatsgerichtshof Ihnen besonderen Dank.

Sitz des Staatsgerichtshofs ist Bückeburg und dieser Sitz ist sogar in der Niedersächsischen Verfassung bekräftigt, sodass nicht einmal der einfache Gesetzgeber in der Lage wäre, das enge Band zwischen der Stadt Bückeburg und dem Staatsgerichtshof zu trennen. In Juristenkreisen steht der Name der Stadt stets auch für den Staatsgerichtshof und seine Rechtsprechung, so wie der Name "Karlsruhe" für das Bundesverfassungsgericht und seine Judikatur verwandt wird. Die besonderen Verbindungen des Staatsgerichtshofs zur Stadt Bückeburg und zum Landkreis Schaumburg werden durch die Anwesenheit von Herrn Bürgermeister Brombach und Herrn Landrat Schöttelndreier bestätigt, die ich ebenfalls herzlich willkommen heiße. Als Vertreter der evangelisch-lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe begrüße ich Herrn Landesbischof Johannesdotter. Dazu haben sich weitere Vertreter von Kirchen und Behörden der Region eingefunden, die ich ebenfalls willkommen heiße.

"Sitz" des Staatsgerichtshofs will heißen, dass Beratungen, Verhandlungen und Verkündungen in Bückeburg stattfinden, bedeutete aber bislang nicht, dass der Staatsgerichtshof hier im Hause die seiner Stellung entsprechenden Arbeitsbedingungen vorgefunden hätte. Professor Christian Starck – langjähriges Mitglied des Staatsgerichtshofs – hat in einer Publikation von dem "Dornröschenschlaf" gesprochen, in den das Gericht für viele Jahre gefallen sei und aus dem es erst durch Einführung der kommunalen Verfassungsbeschwerde erweckt wurde. Ich greife diese Metapher auf und möchte den dem Staatsgerichtshof zugewiesenen Gebäudeteil des Landgerichts mit dem Dornröschenschloss vergleichen, das den Charme der 50er Jahre atmete, seit dieser Zeit aber unverändert geblieben ist und den Anforderungen unserer Gegenwart seit langem nicht mehr entsprach. Ich darf an dieser Stelle Herrn Minister Möllring meinen aufrichtigen Dank dafür aussprechen, dass die – wie sich herausstellen sollte – umfangreichen Baumaßnahmen so rasch ins Werk gesetzt werden konnten und auch die zwischenzeitlich erkennbaren Kostensteigerungen den Fortschritt der Bauarbeiten nicht gehindert haben. Herr Präsident Höptner vom Niedersächsischen Landesrechnungshof, den ich ebenfalls begrüße, wird nachher Gelegenheit haben, sich von der sinnvollen Verwendung dieser Mittel zu überzeugen.

Die Gerichtsarchitektur ist ein besonderes Kapitel der Architekturgeschichte und – was selten bemerkt wird – der Rechtsgeschichte. Justizgebäude spiegeln stets die Rolle der Justiz innerhalb der Staatsfunktionen wider und sind nicht zuletzt Ausdruck ihres Ansehens und ihrer Wertschätzung. Lassen Sie mich hierfür drei ganz unterschiedliche Beispiele aus der deutschen Rechtsgeschichte anführen: Das Reichskammergericht in Wetzlar hatte überhaupt kein eigenes Gebäude; die Richter bearbeiteten die Akten in ihren privaten Domizilen. Ein kleines Schild an einem im Zentrum Wetzlars gelegenen Fachwerkbau erinnert heute daran, dass dort die Kanzlei des Reichskammergerichts – heute würden wir sagen: Die Geschäftsstelle – untergebracht war. Das Reichskammergericht genoss – wie das Alte Reich überhaupt – kein hohes Ansehen, denn seine Verfahren dauerten Jahre und Jahrzehnte, sodass Kläger vielfach Urteile in ihren Rechtssachen nicht mehr erlebten. Wie anders nimmt sich dagegen das Reichsgericht in Leipzig aus, in dem heute das Bundesverwaltungsgericht seinen Sitz hat. Es ist in seiner monumentalen Pracht das Symbol der durch die Reichsgründung erreichten Rechtseinheit und gleichzeitig Ausdruck des erwachten Nationalbewusstseins. Das Bundesverfassungsgericht – um ein drittes Beispiel deutscher Gerichtsarchitektur zu nennen – verzichtet demgegenüber auf gründerzeitlichen Prunk und unterstreicht durch ausgedehnte Glasflächen das Bekenntnis zu Transparenz und diskursiver Offenheit.

Das Landgericht Bückeburg – und damit der Staatsgerichtshof – ist in dem 1894/95 erbauten Regierungsgebäude des Fürstentums Schaumburg-Lippe untergebracht. Der Schwurgerichtssaal, in dem wir uns heute zusammengefunden haben, war Plenarsaal des Schaumburg-Lippischen Landtages. Wie so vieles in Bückeburg ist auch die Justiz eng mit dem Fürstenhause verbunden und ich darf Ihnen, Fürst zu Schaumburg-Lippe, meinen herzlichen Dank dafür aussprechen, dass Sie dem Staatsgerichtshof ein Portrait des Fürsten Georg – des Erbauers dieses Gebäudes und Vorfahren von Ihnen – zur Ausstattung seiner Räume als Leihgabe zur Verfügung gestellt haben.

Der Staatsgerichtshof ist – wie schon erwähnt – Verfassungsorgan und Gericht. Seine Funktion ist die der Rechtsprechung. Er ist jedoch ministerialfrei, ressortiert also nicht zu einem Ministerium oder zur Staatskanzlei, gehört aber in seiner Rechtsprechungstätigkeit zur Justiz. Justiz leitet sich bekanntlich vom lateinischen Wort "iustitia" – Gerechtigkeit – ab. Das letzte Ziel der Rechtsprechung jedes Gerichts – auch des Staatsgerichtshofs – ist das Bemühen um Gerechtigkeit. Rechtsprechung ist keine beliebige Dienstleistung, deren Ertrag nach ökonomischen Kategorien zu messen wäre, sondern eine Staatsfunktion, deren Funktionieren für das Selbstverständnis und das Ansehen des Staates von schlechthin entscheidender Bedeutung ist. Ich darf deshalb Sie, Herr Staatssekretär Dr. Oehlerking, begrüßen, der Sie in Vertretung von Herrn Minister Busemann dem Festakt beiwohnen. Begrüßen möchte ich Herrn Vizepräsidenten des Landessozialgerichts Tauber, der durch seine Anwesenheit die Verbundenheit des Staatsgerichtshofs mit der Justiz zum Ausdruck bringen. Das Gleiche gilt für Herrn Vizepräsidenten des Landgerichts Bückeburg Peters, der uns zu dem heutigen Anlass den Schwurgerichtssaal zur Verfügung gestellt hat und Herrn Direktor des Amtsgerichts Böhm.

Auch mit der Staatsanwaltschaft, die von Herrn Oberstaatsanwalt Becker vertreten wird, verbindet den Staatsgerichtshof ein Verhältnis der guten Nachbarschaft. Als Vertreter der hiesigen Anwaltschaft darf ich Herrn Rechtsanwalt Martens, den Vorsitzenden des Anwaltsvereins, begrüßen.

Sie alle – meine Damen und Herren – ehren den Staatsgerichtshof an diesem Tage mit Ihrer Anwesenheit und lassen die Einweihung der neuen Diensträume zu einem festlichen Ereignis werden. Eine besondere Freude ist es für mich, unter Ihnen auch ehemalige Mitglieder des Staatsgerichtshofs, nämlich meinen Vorgänger im Amt, Herrn Professor Schinkel, Herrn Professor Starck, Frau Biermann und Herrn Dr. Schneider, zu sehen. Ihnen allen ist diese Stätte Ihres vieljährigen Wirkens wohl vertraut. Auch die stellvertretenden Mitglieder des Staatsgerichtshofs sind heute sämtlich anwesend; dafür gilt Ihnen allen mein Dank und Willkommensgruß.

Der Staatsgerichtshof ist in seiner Judikatur zwar auf das Land Niedersachsen beschränkt, weiß sich jedoch verbunden mit dem Bundesverfassungsgericht und den Verfassungsgerichten der anderen Länder, die in der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Verfassungsgerichte und Staatsgerichtshöfe des Bundes und der Länder zusammengeschlossen sind. Ich darf an dieser Stelle meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass die Konferenz meiner Einladung gefolgt ist und ihre Jahrestagung im Jahr 2010 in Niedersachsen – und damit auch in Bückeburg – abhalten wird.

Die Landesverfassungsgerichte stehen in einem engen Kontakt zueinander, der einen steten Austausch von Erfahrungen einschließt. Ein Tag wie der heutige ist deshalb auch Anlass, den Blick auf die Rechtsprechungstätigkeit der anderen Landesverfassungsgerichte zu werfen. Mit Herrn Professor Sodan hat der Staatsgerichtshof einen Referenten gewonnen, der in seiner wissenschaftlichen Arbeit und als langjähriger Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofs gleichermaßen mit den Grundfragen der Landesverfassungs-gerichtsbarkeit vertraut ist. Ich darf Sie, lieber Herr Kollege Sodan, herzlich in unserem Kreise begrüßen und bin gespannt auf Ihren Vortrag.

Niedersachsen ist hervorgegangen aus den Ländern Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe. Diese Landesteile Niedersachsens haben eine lange und bewegte Geschichte. Auch der Name des Landes reicht weit in das Mittelalter zurück und ist in seiner lateinischen Form als "Circulus Saxoniae Inferioris" jedem Historiker ein Begriff. Der heutige Tag gibt auch Anlass, der Geschichte dieser Landesteile zu gedenken. Befürchten Sie nun bitte nicht, dass ich meine Begrüßung zu einem Kolleg über die Geschichte Niedersachsens ausweite. Ich möchte Ihr Augenmerk jedoch auf die Ausstellung historischer Karten lenken, die Sie im Anschluss an diese Feierstunde in den neugestalteten Diensträumen des Staatsgerichtshofs sehen werden. Es handelt sich überwiegend um Kupferstiche des 17. und 18. Jahrhunderts, die in ihrer kartographischen Genauigkeit und ihrer künstlerischen Gestaltung reiche Anschauung dafür bieten, auf welchem historischen Grund wir uns in Niedersachsen bewegen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein Wort ganz persönlichen Dankes sagen. Nachdem sich Herr Landgerichtspräsident von Oertzen zu einem Tausch von Räumen bereit erklärt hatte, galt es, diese Räume auszubauen und zu gestalten. Zuständig war hierfür das staatliche Baumanagement, dessen Leiter, Herr Leitender Baudirektor Heinzel, heute anwesend ist. Es bedurfte jedoch der Anstrengungen vieler Kräfte, um die Arbeiten noch bis zu diesem Wochenende zum Abschluss zu bringen. Stellvertretend möchte ich für die vielen an Planung und Ausführung Beteiligten, Herrn Baudirektor Brakemeier und Herrn Dipl.-Ing. Beckmann, für ihre Planung und Leitung der Baumaßnahmen danken. Mein ganz persönlicher Dank aber gilt Frau Liese, die durch Sachkenntnis, Ideenreichtum, stete Einsatzbereitschaft und Beharrlichkeit entscheidenden Anteil daran hat, dass wir in dieser Feierstunde die neuen Räume des Staatsgerichtshofs einweihen können.

Der Staatsgerichtshof weiß Ihnen, Herr Ministerpräsident, besonderen Dank dafür, dass Sie an dem heutigen Tage den Weg nach Bückeburg gefunden haben und aus Anlass der Einweihung ein Grußwort sprechen werden. Ich darf Sie bitten, nunmehr das Wort zu ergreifen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
30.12.2008
zuletzt aktualisiert am:
17.05.2010

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