Text Logo Niedersächsischer Staatsgerichtshof Niedersachsen klar Logo

Antrag des Abgeordneten Bothe (AfD) wegen Verletzung der Auskunftspflicht der Landesregierung zu den Silvesterausschreitungen 2022/2023 zurückgewiesen

Pressemitteilung Nr. 9/24

Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat in seinem heute verkündeten Urteil den Antrag des Landtagsabgeordneten der Partei Alternative für Deutschland (AfD) Stephan Bothe gegen die Niedersächsische Landesregierung wegen der Verletzung des Frage- und Informationsrechts aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV)* zurückgewiesen.

In der Silvesternacht 2022/2023 kam es in Niedersachsen an mehreren Orten zu Übergriffen auf Einsatzkräfte. Die Landesregierung teilte hierzu im Landtag u.a. mit, dass zum damaligen Zeitpunkt 35 Tatverdächtige im Zusammenhang mit diesen Ausschreitungen ermittelt worden waren, darunter 19 Personen mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit. Der Antragsteller hatte mit seiner Kleinen Anfrage vom 27. Februar 2023 (LT-Drs. 19/693) von der Landesregierung Auskunft über die Vornamen dieser 19 Tatverdächtigen begehrt. Die Landesregierung lehnte die Nennung der Vornamen unter Verweis auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und die insofern geltende Unschuldsvermutung ab (LT-Drs. 19/1076). Darin sah der Antragsteller eine Verletzung seines verfassungsrechtlichen Frage- und Informationsrechts durch die Landesregierung. Mit seinem Antrag im Organstreitverfahren hat er die Feststellung dieser Rechtsverletzung begehrt.

Der Antrag hatte vor dem Staatsgerichtshof keinen Erfolg. Die Landesregierung hat das Auskunftsrecht des Antragstellers nicht verletzt. Sie war nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV berechtigt, die Nennung der Vornamen der ermittelten Tatverdächtigen zu verweigern. Angesichts der aus unterschiedlichen Quellen bereits in der Öffentlichkeit bekannten Informationen zu den Geschehnissen in der Silvesternacht 2022/2023 bestand bei Bekanntgabe der Vornamen im Parlament die konkrete Gefahr einer Identifizierung einzelner Personen. Darin liegt ein Eingriff in das verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 2 NV, Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und das daraus folgende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen. Der angesichts der massiven Auswirkungen, die die Identifizierung für die Betroffenen haben kann, erhebliche Grundrechtseingriff ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt. Das parlamentarische Informationsinteresse muss im Einzelfall von besonders hohem Gewicht sein. Fehlt es an einem überwiegenden Interesse an der parlamentarischen Bekanntgabe der Vornamen, kommt auch eine vertrauliche Unterrichtung nicht in Betracht, zumal Beschuldigten in einem Strafverfahren mit Blick auf die Unschuldsvermutung vor Erhebung einer Anklage besonderer Schutz gebührt. Das von dem Abgeordneten Bothe geltend gemachte abstrakte politische Ziel der Zuordnung möglicher Straftäter zu einem „Milieu“ als Grundlage für einen allgemeinen politischen Diskurs ist kein derartiges, besonders gewichtiges, die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegendes Informationsinteresse.

Mestwerdt

Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urt. vom 2.5.2024 – StGH 3/23 -

*Art. 24 der Niedersächsischen Verfassung lautet auszugsweise:

(1) Anfragen von Mitgliedern des Landtages hat die Landesregierung im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten.

(3) 1Die Landesregierung braucht dem Verlangen nicht zu entsprechen, soweit dadurch die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung wesentlich beeinträchtigt würden oder zu befürchten ist, dass durch das Bekanntwerden von Tatsachen dem Wohl des Landes oder des Bundes Nachteile zugefügt oder schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden. 2Die Entscheidung ist zu begründen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
02.05.2024

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln