Artikel-Informationen
erstellt am:
03.12.2025
Gesetz über finanzielle Leistungen des Landes wegen der Einführung der inklusiven Schule verfassungswidrig – Gesetzgeber zur Neuregelung verpflichtet
Pressemitteilung Nr. 7/25
Der Niedersächsische Staatsgerichtshof hat die Regelung in § 1 Abs. 3 des Gesetzes über finanzielle Leistungen des Landes wegen der Einführung der inklusiven Schule (InklSchulFinG) für verfassungswidrig erklärt, soweit die Norm beim finanziellen Aus-gleich für die mit der Einführung der inklusiven Schule an den öffentlichen Schulen verbundenen Kosten diejenigen Schulträger unberücksichtigt lässt, die mit Ausnahme von Förderschulen ausschließlich Schulträger im Sekundarbereich II sind.
Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist in Niedersachsen im Jahr 2012 im Schulgesetz bestimmt worden, dass die öffentlichen Schulen inklusive Schulen sind. Sie müssen – beginnend ab dem Schuljahr 2013/2014 zunächst in den Klassen 1 und 5 und danach aufsteigend - allen Schülerinnen und Schülern einen barrierefreien und gleichberechtigten Zugang ermöglichen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 NSchG). Das Land gewährt nach § 1 InklSchulFinG den Kommunen, die als Schulträger für die Errichtung und Ausstattung der Schulgebäude verantwortlich sind, einen finanziellen Ausgleich für die mit der Einführung der inklusiven Schule an den öffentlichen Schulen verbundenen Kosten in Form einer Pauschale. Für die Verteilung des zur Verfügung gestellten Betrags auf die einzelnen Schulträger ist nach § 1 Abs. 3 InklSchulFinG die Gesamtzahl der Schüler im Primarbereich und im Sekundarbereich I des Schulträgers an seinen öffentlichen Schulen maßgeblich. Kommunen wie die im Ausgangsverfahren klagende Region Hannover, die lediglich Trägerin von Schulen des Sekundarbereiches II sind, erhalten danach gegenwärtig keinen finanziellen Ausgleich des Landes.
Diese Kostenausgleichsbestimmung ist mit der Niedersächsischen Verfassung unvereinbar. Sie genügt nicht dem besonderen Regelungsauftrag des Art. 57 Abs. 4 Satz 2 der Nieder-sächsischen Verfassung (NV)*. Danach war der Gesetzgeber verpflichtet, für die durch das Gesetz zur Einführung der inklusiven Schule verursachten notwendigen Kosten durch Gesetz einen finanziellen Ausgleich zu regeln. Der gänzlich fehlende Ausgleich von Kosten der Schulträger im Sekundarbereich II aufgrund des in § 1 Abs. 3 InklSchFinG niedergelegten Verteilungsmaßstabs ist jedenfalls nach dem sog. „Aufsteigen der Inklusion in die Sekundar-stufe II“ im Schuljahr 2018/2019 verfassungswidrig.
Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2026 rückwirkend zum 1. Januar 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Bis dahin bleibt die derzeitige Regelung weiter anwendbar.
Die Vorschrift war dem Staatsgerichtshof vom Verwaltungsgericht Hannover (Beschluss vom 30. Oktober 2024 – 1 A 4916/22 -) im Rahmen eines dort anhängigen Rechtsstreits zur ver-fassungsrechtlichen Prüfung vorgelegt worden.
Mestwerdt
Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urt. vom 3. Dezember 2025 – StGH 2/24 –
Hinweis: siehe auch die Pressemitteilungen vom 29. November 2024 und 31. Juli 2025.
* Art. 57 Abs. 4 NV lautet auszugsweise:
(4) 1Den Gemeinden und Landkreisen und den sonstigen kommunalen Körperschaften können durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verordnung Pflichtaufgaben zur Erfüllung in eigener Ver-antwortung zugewiesen werden und staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen werden. 2Für die durch Vorschriften nach Satz 1 verursachten erheblichen und notwendigen Kosten ist unverzüglich durch Gesetz der entsprechende finanzielle Ausgleich zu regeln. 3Soweit sich aus einer Änderung der Vorschriften nach Satz 1 erhebliche Erhöhungen der Kosten ergeben, ist der finanzielle Ausgleich entsprechend anzupassen; im Fall einer Verringerung der Kosten kann er angepasst werden.
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erstellt am:
03.12.2025